Fugen im Beton

Allgemeines

Der ansonsten mechanisch hochbelastbare Baustoff Beton besitzt eine im Vergleich zu seiner Druckfestigkeit nur geringe Festigkeit auf Zug. Es entstehen Risse im Bauteil, wenn diese Zugfestigkeit überschritten wird. Das Bauteil befreit sich von Last- und/oder Zwangsspannungen, indem es sich durch Rissbildung eine natürliche Fuge schafft. Die natürliche, d.h. die praktisch unkontrollierte Rissbildung wird in der Regel zu vermeiden gesucht.

Risse können sowohl in technischer als auch in ästhetischer Hinsicht nachteilig für das Bauwerk sein. Die Funktionsfähigkeit und die Dauerhaftigkeit soll durch Risse nicht beeinträchtigt sein. Zur Vermeidung von Rissen werden künstliche Fugen angeordnet, wodurch die Elementgrösse des Bauteils festgelegt wird. Damit wird die im Beton auftretende Maximalspannung begrenzt und die Rissbildung somit kontrollierbar.

Stahlfasern nehmen Kräfte im Riss auf, wodurch dem Baustoff Beton neue Eigenschaften im Bereich von Zugspannungen verliehen werden. Der günstige Einfluss von Stahlfasern auf das Reissverhalten lässt sich insbesondere in der Problemzone Fuge technisch und wirtschaftlich ausnutzen.

Fugenarten

Im Ingenieurbau wird grundsätzlich unterschieden in Fugen, die zur Begrenzung der Elementgrösse erforderlich sind, und in Fugen, die ein Bauteil von einem anderen trennen. Übertragen auf den Betonbodenbau sind das Fugen zur Festlegung der Feldgrösse und Fugen, die den Kontakt der Bodenplatte mit aufgehenden oder abgehenden Bauteilen verhindern.

Scheinfugen sind „künstlich erzeugte Risse“ in der Bodenplatte. Nach dem Aushärten des Betons wird der Querschnitt durch Einschneiden der Oberfläche geschwächt und das Auftreten des Risses an der definierten Stelle provoziert (Kontrollierte Rissbildung). Die Schnitttiefe beträgt bei Stahlfaserbeton etwa 1/3 der Plattendicke. Das Schneiden darf nicht zu früh erfolgen, da der Schnitt in nicht ausreichend ausgehärtetem Beton „ausfranst“. In der Regel werden Scheinfugen nach 12 bis 24 Stunden eingeschnitten.

Scheinfugen werden als Quer- und Längsfugen beim grossflächigen Betonieren angeordnet sowie als Querfugen beim Betonieren in Bahnen.

Fugen in Betonflächen

Pressfugen oder auch Arbeitsfugen genannt, entstehen durch das Anbetonieren an einen abgeschalten früher hergestellten Abschnitt. Die Ausbildung ist mit Nut und Feder, bei Verdübelung auch mit glatten Stirnflächen. Sie trennen die Betonplatte über ihre gesamte Dicke. Pressfugen werden als Längsfugen beim Betonieren in Bahnen, aber auch als Querfugen beim Betonieren in Feldern angeordnet.

Raumfugen trennen die Bodenplatte von anderen Bauteilen wie z.B. Stützen und Wänden. Dadurch wird die Eintragung von möglichen zusätzlichen Horizontallasten in die auf- oder abgehenden Bauteile verhindert. Weiter sollen Raumfugen eine freie Ausdehnung des Betons ermöglichen.

Planung von Fugen

Schein- oder Press- fugen sollen ein möglichst quadratisches Fugenraster erzeugen.

Das Seitenverhältnis sollte dabei 1:1,5 nicht überschreiten. Übliche Fugenabstände sind 4-6 m im Freien und 6-8 m bei offenen Hallen. In geschlossenen Hallen sind Abstände bis etwa 12 m möglich. Die Fugen sollen sich kreuzen und nicht versetzt verlaufen. Längs- und Querfugen und insbesondere die Kreuzungspunkte sollen auch bei Verwendung von Stahlfaserbeton nicht in Bereichen höchster Beanspruchung angeordnet werden. Bei der Anordnung von Fugen sollte stets dem geplanten Stützenraster gefolgt werden. Das Fugenraster ergibt sich dabei als ein Bruchteil bzw. Vielfaches der Stützenabstände.

Weiter ist darauf zu achten, dass keine einspringenden Ecken entstehen (Bilder 5 und 6). So wird vermieden, dass dort Risse infolge Spannungsspitzen auftreten. Weiter sind schmale oder spitz auslaufende Elemente zu vermeiden, da hier eine erhöhte Riss-, bzw. Bruchgefahr besteht. Sind solche Elemente in der Planung nicht zu vermeiden, so ist konstruktive Zulagebewehrung gemäss Bild 6 zur Kontrolle der Rissbildung anzuordnen.

Wird auf den Beton ein Hartstoffestrich aufgebracht, so darf der Nachschnitt im Estrich keinen Versatz zum Fugenraster der Betonplatte aufweisen. Sonst kann es zum Durchreißen des Verbundestriches im Bereich der vorhandenen Fugen kommen.

Kraftübertragung in Fugenbereichen

Zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Betonplatte muss eine Querkraftübertragung in der Fuge gegeben sein. Bei Scheinfugen erfolgt dies im allgemeinen durch die Verzahnung der Rissflächen, wenn sich der Riss nicht zu weit öffnet. Bei Fugenabständen von mehr als 6 m und bei konzentrierten Lasten grösser als 40 kN werden nach Lohmeyer (2.) Dübel angeordnet. Nach dem heutigen Stand der Technik können bei Stahlfaserbeton auch größere Fugenabstände ohne Verdübelung ausgeführt werden. Beispiel für eine Stahlfaserbetonplatte: Für eine Belastung von bis zu 80 kN konzentrierte Last oder einen SLW 30, einer Plattendicke von 18 cm und einem Verformungsmodul EV2 von mindestens 80 N/mm2 ist ein Fugenraster von 8 x 8 m problemlos ausführbar.

Pressfugen werden meist mit Nut und Feder ausgebildet. Bei Lasten grösser als 40 kN und Fugenabständen von mehr als 8 m werden nach Lohmeyer auch Pressfugen verdübelt. Raumfugen werden nur dann verdübelt, wenn sie befahren werden, d.h. im Bereich von Toreinfahrten von Hallenbauten. Allgemein ist die gleichmässige Tragfähigkeit des Untergrundes Voraussetzung für eine saubere Höhenlage und Querkraftübertragung in der Fuge.

Probleme und Schäden in Fugenbereichen

Prinzipiell stellt jede Fuge eine Schwachstelle im Beton dar. Insbesondere sind die Kanten im Fugenbereich durch das Befahren mit Fahrzeugen gefährdet. Vor allem die breiteren Raumfugen sind gegen Ausbruch der Kanten anfällig. Bei hohen Achslasten oder Reifenpressungen müssen zum Schutz der Kanten Fugenprofile aus Stahl angeordnet werden. Bei unverdübelten Scheinfugen, bei denen die Rissöffnung zu gross wird, ist eine ausreichende Rissverzahnung und Querkrafttragfähigkeit nicht mehr gegeben.

Ungleichmässige oder unzureichende Tragfähigkeit des Untergrundes kann zu einer Verkantung der Platten in der Fuge führen. Dies hat zur Folge, dass Fahrzeuge zusätzlich Stösse eintragen, wodurch ein erhöhtes Risiko gegen Abplatzung der Fugenkanten besteht. Darüber hinaus werden die passierenden Fahrzeuge einem erhöhten und damit kostenintensiverem Verschleiss ausgesetzt.

Neben technischen Problemen sind auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu überlegen. Nicht nur die Herstellung eines laufenden Meters Fuge ist mit Kosten verbunden, sondern auch die Unterhaltung und ggf. die Reparatur. Somit werden kontinuierlich neue Lösungen gesucht, um Fugen zu vermeiden. Durch die Möglichkeiten, die uns der Stahlfaserbeton im Industriebodenbau bietet, sind Entwicklungen zu fugenlosen Böden realisierbar geworden.

Anwendung von Stahlfaserbeton im Bereich von Fugen

Stahlfasern sind eine im Beton gleichmässig fein verteilte Bewehrung. Sie wirken auf zweierlei Arten: Zum einen werden durch Stahlfasern Steifigkeits- bzw. Festigkeitswerte erhöht, zum anderen ermöglichen sie eine Kraftübertragung im Riss. Stahlfasern lassen sich nutzbringend im Industriebodenbau einsetzen. Das Prinzip der fein verteilten Bewehrung stellt sicher, dass im Vergleich zu konventioneller Bewehrung jeder Teil des Querschnitts bewehrt ist. Dies führt zu einem erhöhten Widerstand des Betons gegen Abplatzen in den kritischen Bereichen, insbesondere der Fugenkanten. Darüber hinaus werden die Schlagfestigkeit und die Betriebsfestigkeit erhöht.

Zusammenfassung und Ausblick

Fugen sind eine Unterbrechung des Kontinuums und stellen somit Störstellen dar. Die Anfälligkeit von Fugen und der damit verbundene wirtschaftliche Aufwand kann bei unsachgemäßer Ausführung hoch sein. Bei Einsatz von Stahlfasern kommen neue Aspekte bei der Planung von Fugen hinzu. In Betonböden kann auf Fugen nicht gänzlich verzichtet werden. Die Möglichkeiten jedoch, die der Stahlfaserbeton bietet, können vorteilhaft im Bereich von Fugen ausgenutzt werden, nicht nur in technischer sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht. So können mit Stahlfasern Fugenabstände vergrößert werden bei gleichzeitig höherer Sicherheit gegen unplanmäßige Rissbildung. Daher wird es in der Planung möglich zu überlegen, ob sich eine Fuge oder ein kraftschlüssiger Riss störender im jeweiligen Anwendungsfall auswirkt.

Zum Einsatz von Stahlfaserbeton soll abschließend noch erwähnt sein, dass die Verarbeitbarkeit und das Einbauen dieses Baustoffes nicht komplizierter ist als bei Beton ohne Fasern. In der Regel sind keine zusätzlichen Maßnahmen erforderlich. Somit lassen sich alle üblichen Arbeitsgänge wie z.B. das Abschalen, Einbringen und Schneiden wie gewohnt durchführen.

Literatur
1. J. Eisenmann: „Betonfahrbahnen, Entwurf – Berechnung - Ausführung“, Handbuch für Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbau, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn
2. G. Lohmeyer: „Betonböden im Industriebau - Hallen und Freiflächen“, Schriftenreihe der Bauberatung Zement, Bundesverband der Deutschen Zementindustrie
3. E. Cziesielski, Th. Schrepfer: „Schäden an Industrieböden“, Reihe schaden-freies Bauen, Fraunhofer IRB Verlag
4. R. Winterberg: „Untersuchungen zum Reissverhalten von Stahlfaserbeton und stahlfaserverstärktem Stahlbeton“, Dissertation, Ruhr-Universität Bochum